Arbeit der
Zukunft.

Das Büro ist tot. Lang lebe das Büro.

Die weltweite Corona-Pandemie hat einen Trend beschleunigt, der schon lange auf dem Vormarsch war: ortsunabhängiges Arbeiten. Die aktuelle Erfahrung vieler Wissensarbeiter:innen, dass Arbeit zu großen Teilen remote machbar ist, hat zu einer massiven Formenverschiebung und Umkehr der Beweislast geführt. In Zukunft muss sich niemand oder im Lieblingscafè arbeitet. Stattdessen müssen Unternehmen gute Gründe bieten, um ihre Mitarbeitenden ins Büro zu locken. Und so verändern sich auch Firmenzentralen und besinnen sich auf ihre größte Stärke: sie werden zu Orten für Begegnung, Austausch, Lernen und Kreativität. 

Ein Drittel der befragten Beschäftigten würde kündigen, wenn ihr Unternehmen das Home Office wieder aufgibt. Rund 51% bevorzugen ein hybrides Modell.

Robert-Half-Studie, USA 2021

Office? Anywhere!

Nicht immer und für alle Tätigkeiten eignet sich das Büro in den eigenen vier Wänden. So genannte Dritte Orte werden daher massiv an Bedeutung gewinnen: Ob Co-Working Space, der nahe Park oder gut ausgestattete Cafés – neben dem festen Arbeitsplatz zuhause oder im Unternehmen, suchen sich Menschen öffentliche bis semi-private Orte, um produktiv zu sein. Daraus entstehen mitunter ganze Ökosysteme in urbanen Räumen, aus denen Mitarbeitende ihren Arbeitsort jeden Tag neu wählen können.

Flächen neu denken – von Private bis Public.

Eine Entwicklung, die sich auch innerhalb moderner Bürogebäude zeigt; Wo sich Mitarbeitende flexibel und situativ den passenden Arbeitsplatz suchen können, steigen Zufriedenheit und Produktivität. Ob konzentrierte Stillarbeit oder ein Kreativ-Workshop im Team – für unterschiedliche Arbeitssituationen zur Verfügung. Diese Bereiche können sowohl public, semi-public oder private sein: je nachdem welchen Nutzer:innen sie zugänglich sind. Einen großen Mehrwert bieten öffentliche Bereiche, wie Co-Working Spaces oder Kantinen, in denen sich immer wieder team- und themenübergreifende Begegnungen ergeben.

Bürogebäude lassen sich zukünftig programmieren wie eine Software.

Raphael Gielgen, Vitra Trendscout

Von der festen Belegschaft zum fluiden Netzwerk.

Dass diese Begegnungen explizit erwünscht und sogar gezielt inszeniert werden sollen, hat mit einem weiteren Trend der neuen Arbeitswelt zu tun: Statt einer festen Belegschaft wird es zukünftig ein ganzes Netzwerk aus Spezialist:innen geben, die projektbasiert mit ihrem individuellen Skillset zum Unternehmenserfolg beitragen.

Individualität als Erfolgsfaktor.

Lange galt Individualität als Störfaktor im reibungslosen Ablauf gut geölter Unternehmensprozesse. Damit ist Schluss: auf der Suche nach den besten Talenten haben Arbeitgeber Subjektivität als Stärke entdeckt. Sie macht uns einzigartig, kreativ, erzeugt ungewöhnliche Ideen – und macht uns Menschen damit unersetzbar. Nicht zuletzt gegenüber unseren neuen Kollegen, den Maschinen und KI-Anwendungen. Dafür müssen wir individuelle Fähigkeiten und Interessen schätzen lernen und fördern.

 

Die menschliche Arbeitswelt.

Die Arbeitswelt der Zukunft ist menschlicher als wir sie bisher gekannt haben. Wir dürfen und sollen uns als ganze Persönlichkeiten einbringen, mit all unseren Stärken, Interessen und Prägungen. Damit lassen wir das Zeitalter der klassischen Erwerbsarbeit hinter uns und brechen auf in eine neue Ära: in eine Tätigkeitsgesellschaft, in der Menschen ihre Erwerbsarbeit kombinieren mit privaten Projekten, Care-Arbeit oder einem Ehrenamt in ihrer Nachbarschaft.

Das gute Leben ist
mehr als Erwerbsarbeit.

Dr. Max Neufeind, New-Work-Experte

Nachgefragt bei Vitra

Matteo Twerenbold, Adler Group: Wir haben in unserem Quartier die denkmalgeschützten “Eiermänner”, die zukünftig wieder zu modernen Arbeitsorten werden sollen. Was muss man bei solchen Bestandsbauten beachten?

Pirjo Kiefer, Vitra: Zunächst einmal war ich beim Blick auf die Grundrisse total begeistert aufgrund der Weitsicht von Egon Eiermann. Die Gebäude haben mit rund 15 Metern eine schöne Tiefe. Herausforderung und Chance ist es meines Erachtens, diese großzügigen Flächen zu erhalten. Damit man die zukünftigen Nutzer:innen nicht durch räumliche Gliederungen in ein Raster zwingt, das ihnen nicht entspricht. Es lohnt sich sicherlich auch, über die Nutzung der Geschosse nachzudenken – kann man sie beispielsweise einteilen in public, semi-public und private.

Matteo Twerenbold: Wie schafft man solche public areas, in denen unterschiedliche Menschen zusammenkommen und etwas Neues schaffen?

Pirjo Kiefer: Indem man Gebäude wie Städte denkt. Denn das kreative Potenzial der Städte liegt ja in ungeplanten Begegnungen. Diese spontanen Begegnungen kann man aber in Gebäuden ganz bewusst herbeiführen – etwa durch offene Treppen, die Etagen miteinander verbinden. Oder über “soziale Magnete” wie Bars, Cafés oder Kantinen. Auch die Innenhöfe könnten perspektivisch zu Bereichen für den sozialen Austausch unter den Mieter:innen werden.